Siebenzehnter Auftritt

[44] Vorige. Mehrere geputzte Herren und Damen, unter ihnen Lüftig im neuen Frack.


CHOR DER GESELLSCHAFT.

Geladen haben Sie uns, Herr von Zwirn,

Wir tun von Ihrer Güte profitier'n.

Wer Ihre Gastfreiheit und Freundschaft kennt,

Macht Ihnen auch ein tiefes Kompliment.


ZWIRN nachdem er sie begrüßt. Das ist wahr, die ganze schöne Welt von Prag hab' ich da versammelt.[44]

LÜFTIG. Herr von Zwirn, eine schönere Wohnung als Sie, kann man nicht mehr haben, hier fehlt nur eins zur vollständigen Eleganz.

ZWIRN. Wie? bei mir fehlte noch was?

LÜFTIG. Sie müssen die Gasbeleuchtung einführen.

ZWIRN beleidigt. Gasbeleuchtung? – Ich kann beleuchten mit was ich will, das geht Ihnen gar nichts an.

LÜFTIG erstaunt. Ich meinte nur –

ZWIRN. Trau'n Sie mir nicht – wenn ich meine Scher erwisch' – Sich korrigierend. will ich sagen, meinen Degen wenn ich erwisch' –

LÜFTIG. Sie sind ein Narr!

ZWIRN. Marschieren Sie, sonst wirf ich Ihnen ein Bögeleisen nach!

LÜFTIG. Adieu, Sie Herr Zwirn Sie.


Mit Windwachel ab.


CAMILLA zu Zwirn. Sie haben Verdruß gehabt.

ZWIRN sich fassend. Das eben nicht, aber –

LAURA. Kann teilnehmende Freundschaft Sie wieder erheitern?

ZWIRN. Freundschaft? – Nein, die Liebe könnte das viel besser.

CAMILLA. Die Liebe, glauben Sie?

LAURA. Je nun –

ZWIRN beide in die Wangen kneipend. O ihr seid beide ein paar liebenswürdige Schnecken!


Quodlibet. Terzett mit Chor.


CAMILLA.

Wie mich der Mann betrachtet,

Ach, das ist stark, auf Ehr.

LAURA.

Auf mich allein er schmachtet,

Es ist kein Zweifel mehr.

ZWIRN Rezitativ.

Allen zwei'n möcht' ich zugleich ein Bussel geben,

Ich weiß nicht wie mir g'schieht,

Ich fühl' mein Herz hier erbeben.[45]

Ich möcht' ein kleines Hüttchen nur

Wo hab'n auf einer stillen Flur,

Bei diesem Hüttchen fließt ein Bach,

Und diesem Bach fließt Liebe nach.

CAMILLA.

Der Gesang, zart und still,

Weckt Liebesqual;

Daß ich für einen Mann was fühl',

Ist's erstemal.

LAURA.

O fließt ihr Tränen,

Ertönt ihr Klagen,

Vergeblich Sehnen

Nach sel'gen Tagen,

Des Herzens Bangen

Kennt kein Verlangen,

Als nur den Tod allein.

ZWIRN.

Welch ein Reiz in ihren Tönen,

Tränen selbst sie noch verschönen,

Neu entflammt der Liebe Glut.

CAMILLA.

Wo die Donau brav rauscht,

Und kein Stadtherr nit plauscht,

Viel Meil'n weit von hier,

Möcht' ich schmachten mit dir.

ZWIRN.

Wenn mir dein Auge strahlet,

Ist mir so leicht, so gut.

LAURA.

Und meine Wangen malet

Noch nie gefühlte Glut.

CAMILLA.

O weile![46]

ZWIRN.

Laß mich!

CAMILLA.

Weile!

ZWIRN.

Laß mich;

Dort hinten bei der Linden

Sitzt ein unbekanntes Reh,

Das schaut kerzengrad in d' Höh.

Auf der G'stetten war's a Metten,

Auf der G'stetten sitzt a Mann,

Der hat ein Pudel und ein Hahn;

Und weil's dort gar so zieht,

Hat der Pudel d' Strauchen kriegt,

Da wird desparat der Mann,

Frißt g'schwind seinen Hahn.

CAMILLA.

Willst du kalt mir widerstreben,

Ach, dann ende auch mein Leben.

Kannst du mir nicht Liebe geben,

Ja, dann weih' ich mich dem Grab.

LAURA.

Ei! –

Nun, Schwester! was sagst du denn?

Er kann nicht länger widerstehn,

Er findt mich einmal gar zu schön.

CAMILLA.

Du glaubst, es sein alle Leut

In dich verliebt, na, da hat's Zeit.

Versteht sich, da hat's Zeit.

ZWIRN.

Halt!

In diesen heil'gen Hallen,

Kennt man die Rache nicht,

Und ist a Mensch hier g'fallen,

Das wär' a verfluchte G'schicht.[47]

LAURA.

O caro, caro mio!

CAMILLA.

Con te felice son io.

ZWIRN.

Nehmt's mir's nit krumm,

Ich bin nit so dumm,

Die wällische Sprach

Bringt mi a no nit um.

Cara ade a tendi mi,

Prove soave palpiti,

Ch' esprimere non sò non sò

Non sò non sò non sò.

CAMILLA.

Es ist doch ein Glück

Ein Berliner zu sein.

CHOR.

Ja, ja, ein Berliner zu sein.

LAURA.

Wir sind mit den Männern

Stets pfiffig und fein.

CHOR.

Ja, wir sind pfiffig und fein.


Laura dudelt.


CHOR.

Es geht ihm die Arbeit

So flink wie das Maul,

Auch ist er beim Essen

Und Trinken nicht faul.


Alle mit Chor zusammen.


LAURA.

Lasset jeden Streit uns enden.

CHOR zugleich.

Wie die Schwestern sich versöhnen etc.[48]

LAURA.

Mag er sich zu einer wenden,

Räumt die andre dann gern das Feld,

Viel tausend Männer gibt's auf der Welt.

Ja, es wird mir doch gelingen,

Ihn gewiß ins Netz zu bringen.

Einen reichen Mann zu fangen,

Darnach gehet mein Verlangen.

ZWIRN, LAURA, CAMILLA.

Ja, es wird mir schon gelingen etc.

CHOR fällt mit ein.

Täuschet nur nicht leerer Schein,

Welche Freude wird das sein.


Der Vorhang fällt.


Ende des zweiten Aufzuges.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 44-49.
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