Fünfte Szene


[240] Saal.

Agnes auf einem Sofa, Simon neben ihr; Anne.


SIMON. Sie schlägt die Augen wieder auf, Gott sei Dank!

ANNE. Ist er tot?

SIMON. Dieser Degen war in seiner Brust. Wie mir leicht ist! – Die Alte hat sich zum Fenster hinausgestürzt.

ANNE. Ist dir auch wohl, Bruder? – Wie du geritten bist!

SIMON. Wie Gottes Strafgericht, ich begreife noch nicht, wie ich hierhergekommen bin – und als ich eurer Burg erst ansichtig ward, als ich gar erst dein Taschentuch wehen sah, da stürzt' ich immer schneller und schneller, mir vergingen unter dem Sausen der Luft alle Gedanken.

AGNES. Wo bin ich? – Ach Gott! Simon! Du bist wirklich da? – Wo bist du hergekommen? – Wo ist der Ritter?

SIMON. Sei ruhig, Schwester, er ist tot, du bist nun außer aller Gefahr.

AGNES. Wie hat sich alles so schnell geändert! – Simon, mein Beten zu dir war doch nicht umsonst.

SIMON. Tröste dich nur und fasse deine Vernunft wieder zusammen.


Anton tritt ein.


ANTON. Und es ist doch wahr gewesen? – O meine Schwester! – Bruder, da hast du einen braven Streich gemacht.

SIMON. Das Schloß war durch einen Zufall offen, sonst wäre doch alles vergebens gewesen.

ANNE. Er ist erst heut von einem Zuge zurückgekommen, und da waren alle Knechte noch voller Freude.

SIMON. Künftig tadle meine Ahnungen nicht und sprich nicht von Raserei. – Kam ich nur einen Augenblick später, so war es zu spät.


Leopold und Brigitte treten auf.


LEOPOLD. Guten Tag, Brüder, ihr mögt nun wollen oder nicht, so müßt ihr mich mit meiner Geliebten schützen.

SIMON. Von Herzen gern. – Es wird aber gar nicht nötig sein, das sagen mir meine Ahnungen.

LEOPOLD. Nun, desto besser.

SIMON. Ich muß gehn und das ganze Schloß in Augenschein nehmen. Ab.

BRIGITTE. Wie mir wohl ist, daß wir doch wieder unter Menschen sind! – Ach, mein Vater! –
[241]

Hans, Reinhold und Kaspar treten auf.


HANS. Du mein Kind? – Nein, es ist nicht wahr! – Ein Kind entläuft seinem alten Vater – nicht und du hast so mein graues Haar vergessen können? – Geh, das heißt Undank! – Und die Vorsicht vergessen!

BRIGITTE. Vater!

REINHOLD. Seh' ich recht? Anne – Sie umarmen sich.

ANNE. Reinhold!

REINHOLD. Immer hab' ich an dich gedacht, Tag und Nacht, du warst die Ursache, daß ich in mein Vaterland zurückkam. – O Vater, seht, wie glücklich ich bin, sie liebt mich noch, Ihr wolltet damals Eure Einwilligung nicht geben, und ich verließ Deutschland. – Laßt Euch jetzt erweichen.

HANS. Sei glücklich mit ihr. – Und du heißt Leopold? – Also doch kein Spielmann?

LEOPOLD. Nein, Vater.

HANS. Ziemlich vorlaut. – Indessen muß ich Gott danken, daß Ihr doch noch ein Ritter seid, ich hatte mir's noch schlimmer vermutet.

REINHOLD. Macht uns alle glücklich.

HANS. Du kommst von einer langen Reise zurück und hast also schon das Recht, ein Wort mehr zu sprechen. – Nun, da hast du mein Kind, Leopold, aber ihr müßt bei mir wohnen.

LEOPOLD. Mit Freuden.


Simon, der Ratgeber und Klaus treten auf.


SIMON. Hier hab' ich noch vortreffliche Leute gefunden, die sich furchtsam in einen Winkel zusammengeduckt hatten. – Nun, Anton, du wirst wohl diese Burg in Besitz nehmen, ich bleibe bei dir mit diesen beiden weisen Männern.

LEOPOLD. Und ich besuche euch manchmal.

ANTON. Reinhold bewohnt dann unsre Burg mit unsrer Schwester, denn Agnes wird hier nicht gern bleiben wollen.

AGNES. Nein, fort, fort!

RATGEBER. Und Ihr verlangt doch nur selten Rat von mir?

ANTON. Wie meint Ihr?

KLAUS. Er ist Ratgeber gewesen und geht jetzt in Pension. – Wenn es mir erlaubt ist, vernünftig zu sein, ist es mir auch lieber und bequemer.

SIMON. Wir werden uns schon miteinander vertragen.

ANTON. Welch glücklicher, welch wunderbarer Tag! Alle ab.

Quelle:
Ludwig Tieck: Werke in einem Band. Hamburg 1967, S. 240-242.
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